DOHA, SHANGHAI, EUGENE

In den vergangenen Wochen habe ich quasi eine halbe Weltreise gemacht. Acht Monate sind vergangen seitdem ich das letzte Mal auf meiner Paradestrecke, den 3000m Hindernis unterwegs gewesen bin. Wenn ich genauer darüber nachdenke ist dies eine ganz schön lange Zeit. „Sieben Monate habe ich mich intensiv auf die Sommersaison vorbereitet und dann sollte es auf einmal wieder los gehen“, waren meine Gedanken, als ich vor einigen Wochen in Potchefstroom in den Shuttle zum Flughafen gestiegen bin. Den letzten Feinschliff für meinen Saisonstart hatte ich in Südafrika vorgenommen. Von dort aus sollte es dann direkt nach Doha zu meinem ersten Rennen der Saison gehen. Der erste Wettkampf des Jahres ist immer ein Sprung ins kalte Wasser. Man weiß nie so wirklich was einen erwartet. Zwar hat man Resultate aus dem Training, welche einigen ermutigen können, doch Training und Wettkampf sind eben doch zweierlei Dinge.

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Zwei Tage vor meinem Start bin ich in Doha angekommen. Im Jahr 2013 bin ich schon mal in der Hauptstadt von Katar gelaufen. Meine Erinnerungen an diese Reise hielten sich jedoch in Grenzen. Vor allem die höllischen Temperaturen hatte ich aus meinem Gedächtnis eliminiert. Schon bei der Ankunft um sechs Uhr morgens wurde ich von 34 Grad begrüßt. Im Laufe des Tages stiegen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad Celsius und so habe ich das Hotel vor meinem Wettkampf so selten wie nötig verlassen. Meine Trainingseinheiten habe ich auf dem Laufband oder nach Sonnenuntergang im Stadion absolviert. Die Klimaanlage lief Tag und Nacht auf Hochtouren und meine Spaziergänge habe ich in der am Hotel angrenzenden Shoppingmall absolviert. Quasi unbewusst habe ich mich an die Begebenheiten der Bevölkerung angepasst. In Doha sieht man tagsüber so gut wie keine Menschen auf der Straße. Das Leben spielt sich am Tag fast nur in klimatisierten Räumlichkeiten ab und erst bei Nacht wird die von Wolkenkratzern übersäte Metropole zum Leben erweckt. Das habe ich vor allem nach meinem Wettkampf wahrnehmen können, als ich die künstlich angebaute Insel „The Pearl“ und den „Souq Waqif“ besucht habe. Beide Attraktionen waren typisch für Doha und auf jeden Fall einen Besuch wert. „The Pearl“ zeigt eigentlich alles für was Doha steht: Geld, Größe, Prunk und die Möglichkeit etwas einzigartiges entstehen zu lassen. Die Insel ist so perfekt erschaffen, dass es fast unwirklich erscheint. Hochhäuser, Hotels, Boutiquen, und von Gold übersäte Verzierungen schmücken die Straßen, Häuser und Läden auf der künstlichen Insel. In den Häfen liegen die größten Luxusyachten, die man sich vorstellen kann und alles in allem gibt es so viel vom Luxus, dass all der Prunk gar nicht richtig zur Geltung kommt. Anders wiederum auf dem „Souq Waqif“. Dort tummelt sich das Leben. Die im Arabischen Stil gebauten Häuser sind mit kleinen Läden und Restaurants gefüllt, durch die engen Gassen tummeln sich die Leute und die warme Luft riecht angenehm nach Gewürzen und dem Qualm der Shishas, welche an nahezu jeder Ecke geraucht werden. Endlich hatte ich das Gefühl ein Stück Wahrheit von Doha erleben zu können. Alles andere wirkt auf mich immer noch schier unwirklich und teilweise einfach zu perfekt.

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Meine Eindrücke vom Wettkampfgeschehen einen Tag zuvor waren jedoch sehr positiv. Die sonst eher ruhig wirkende Stadt und das zurückhaltende Volk sind von Enthusiasmus und Sportbegeisterung erfüllt. Das Stadion des „Qatar Sport Clubs“ war ausverkauft und die von einer durchaus guten Atmosphäre geprägt. Vor allem äthiopische und kenianische Fans haben für eine heitere Stimmung gesorgt. Kein Wunder, dass die afrikanischen Läufer in Doha immer für Spitzenleistungen sorgen. Vor quasi heimischen Publikum ist ein Sieg demnach eine extra Motivation für die afrikanischen Läufer. Auch in meinem Rennen ging von Anfang an die Post ab. Ohne zu wissen, zu welchen Leistungen ich in der Lage bin, konnte ich mich in diesem hochkarätigen Feld gut behaupten. Zwar überquerte ich die Ziellinie nur als Siebte schaffte es aber dennoch schneller zu laufen als jemals zuvor. Deutscher Rekord im ersten Rennen der Saison. Das hatte selbst ich nicht erwartet. Das Jubeln im Ziel war mir wohl gegönnt und auch wenn es die Zuschauer wohl weniger verstehen konnten, war meine Leistung für mich ein großartiger Erfolg. Umso mehr freute ich mich über meinen kleinen Fanclub im Stadion. Neben meinen Eltern, die extra zu meinem Rennen angereist waren, wurde ich im Zielbereich von einem riesigen Banner mit meinem Namen überrascht. Familie Bahl aus Dillenburg, welche seit einigen Jahren in Doha zu Hause ist, war extra ins Stadion gekommen um mich Laufen zu sehen. Ohne die Leute wirklich zu kennen, war diese Geste eine unfassbar schöne Überraschung, welche mich immer noch zum schmunzeln bringt. Das für nach dem Rennen geplante Treffen mit meinen Eltern wurde statt in einem Café auf die Räumlichkeiten der „Qatar Anti Doping Commission“ vertagt. Zur Verifizierung meines Deutschen Rekordes war ich nämlich verpflichtet eine Doping Probe abzugeben. Überglücklich über diesen Erfolg zu meinem Saisonstart war es mir ganz egal wo ich diesen Abend verbrachte. Es war einfach schön Eltern vor Ort zu haben um meine Freude mit jemandem teilen zu können. Mein Trainer und mein Freund Marc mussten mein Rennen nämlich leider von zu Hause verfolgen.

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Quelle: © V.v. Willendorf (Foto links / Foto rechts)

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Mittlerweile vier Wochen unterwegs ging meine Reise zwei Tage nach meinem Lauf in Doha weiter. Mit der Nachmaschine von „Qatar Airways“ ging es für mich direkt weiter in die Millionenstadt Shanghai. Dort wollte ich fünf Tage später mein 5000m Debüt geben. Eine Reise nach Deutschland hätte sich kaum gelohnt. Daher hatte ich gemeinsam mit meinem Trainer entschieden, dass ich aus Doha direkt nach China reisen werde, um mir damit einen weiteren Langstreckenflug zu ersparen. Im neuen Hotel angekommen teilte ich mir diesmal das Zimmer mit Stephanie Garcia. Eine US Amerikanische Hindernisläuferin, welche ich während dieses Aufenthalts sehr ins Herz geschlossen hab. Eigentlich sind wir Konkurrentinnen, doch da ich diesmal über 5000m an den Start gehen wollte, waren wir diesmal keine Gegnerinnen, sondern vielmehr zwei junge Frauen, welche sich durch eine ähnliche Geschichte verbunden fühlten. Auch Stephanie, war vor ihrem Lauf in Doha im Trainingslager gewesen und mittlerweile seit fünf Wochen auf Reisen. Gemeinsam haben wir die Zeit wirklich gut verlebt, waren gemeinsam Laufen, haben viel gequatscht und das ein oder andere unternommen. Da ich bereits fünf Tage vor dem Wettkampf in Shanghai angekommen bin, blieb mir die Möglichkeit das ein oder andere von der Stadt zu erkunden. So bin ich mit dem Taxi beispielsweise mal zum „Bund“ gefahren, war in einer Shoppingmall oder habe die Nachmittage mit Steph bei Starbucks oder beim Training im Stadion verbracht. Je näher die Wettkampf rückte, desto mehr Athleten kamen schließlich auch im Athletenhotel an und die Vorwettkampfspannung und Aufregung kehrte zurück.

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Mein 5000m Debüt in Shanghai war nach meinem Erfolg in Doha am Ende nicht das Erlebnis, welches ich mir gewünscht hatte. In einem sehr unglücklichen Rennen mit zwölf Afrikanerinnen, welche von Anfang an mit Vollgas „losgestürzt“ sind, musste ich mehr oder weniger mein eigenes Rennen machen. In der Hoffnung, die ein oder andere zu übermütig angegangene Läuferin am Ende wieder einzusammeln hatte sich schnell zerschlagen. Ich lief ich von Anfang an ein couragiertes Tempo, musste aber ab dem dritten Kilometer sehr kämpfen das angeschlagene Tempo zu halten. 5000m komplett alleine zu laufen war nicht das was ich im Vorfeld erwartet habe und war definitiv eine schwierige Aufgabe. In einer akzeptablen Zeit habe ich mich bis ins Ziel gekämpft und bin bis auf drei Sekunden wieder an einige Kontrahentinnen herangelaufen. Das war schade, denn in einem Feld mit mehreren Konkurrentinnen wäre sicherlich eine schnellere Zeit möglich gewesen. So verließ ich Shanghai am Folgetag und hatte nach einem 13 Stunden Flug endlich wieder Deutschen Boden unter den Füßen. Die Freude meinen Freund Marc in die Arme zu schließen und nach fünf Wochen auf Reisen endlich wieder zu Hause zu sein war riesig. Ich liebe es in der Welt unterwegs zu sein, doch für so lange Zeit von seinen Lieben getrennt zu sein kann manchmal schon wirklich hart sein. Umso mehr habe ich die Folgetage in meiner eigenen Wohnung genossen. Dafür braucht es eigentlich keinerlei Beschreibung. Ich glaube dieses Gefühl kennt jeder, der schon mal für längere Zeit im Ausland unterwegs gewesen ist.

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Doch lange Zeit zu Hause hatte ich diesmal nicht, denn der Aufenthalt in den eigenen vier Wänden war nur ein kurzer Zwischenstopp auf meiner Reise durch die Welt. Ein weiterer Wettkampf in den USA stand noch auf dem Plan und so wurde der Koffer nach sieben Tagen erneut gepackt. Beim Diamond League Meeting in Eugene (Prefontaine Classic) hatte ich einen weiterer Start über die 3000m Hindernis geplant. Für mich war es bereits die vierte Reise nach Eugene um mich im berüchtigten Hayward Field mit den besten der Welt zu messen. Das von Nike gesponserte Event, ist trotz der langen Anreise und einer Zeitverschiebung von – neun Stunden eines meiner liebsten Wettkämpfe. Als Nike Athletin fühlt es sich irgendwie an, als würde man nach Hause kommen. Ich bin allgemein ein großer Amerika-Fan und das Engagement des gesamten Nike-Teams ist wirklich großartig. Uns Athleten mangelte es an nichts und zusätzlich war die Stimmung in „Tracktown USA“ (Eugene) wieder einmal hervorragend. Anders als in den Jahren zuvor, war mein Start diesmal am Freitagabend im Rahmen der Läufernacht und nicht am Samstag, dem eigentlichen Veranstaltungstag des Meetings, sodass ich die Wettkämpfe am Samstag, von der Tribüne aus verfolgen konnte. Meinen Wettkampf am Vorabend konnte ich mit einer Zeit von 9:20min als Siebte beenden. Leider nicht das gewünschte Resultat und dennoch zwei Sekunden schneller als im Vorjahr an gleicher Stelle.

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© Jeff Cohen

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Im Nachhinein muss ich sagen, dass die vielen Reisen, der ständige Ortswechsel und die unterschiedlichen Zeitzonen eine sehr erhebliche Belastung für meinen Körper und meinen Biorhythmus waren. Demnach sollte ich mit der gelaufenen Zeit zufrieden sein, doch als Athlet ist es ganz legitim, dass man am liebsten jedes Mal ein bisschen schneller sein will. Abgerundet wurde die Reise mit einem Besuch im Nike Headquarter in „Beaverton“. Dort hatten alle von Nike gesponserten Athleten die Möglichkeit im „Nike Company Store“ einzukaufen. Ein Voucher für den Shoppingtrip ist hierbei nur eine der vielen großzügigen Gesten meines Ausrüsters. Neben dem Wettkampf ist das Shoppingerlebnis jedes Mal ein Highlight. Auch die Natur in Eugene ist atemberaubend schön. Im Bundesstaat Oregon blüht alles wunderbar grün. Für Allergiker ist die Region also nicht unbedingt empfehlenswert. Da ich aber nicht von Heuschnupfen geplagt werde, habe ich große Freude an der gründen Farbenpracht. Nach dem Wettkampf ist bekanntlich vor dem nächsten Wettkampf und daher standen am Samstag und Sonntag einige Trainingseinheiten auf dem Programm. Diese habe ich dazu genutzt die wünderschöne Gegend ein wenig zu Fuß zu erkunden.

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Mit einem Gepäckstück mehr, vielen Reisen und unzähligen neuen Eindrücken endet meine kleine Weltreise in Portland. Von dort ging es am Folgetag zurück in die Heimat, wo ich in den kommenden zwei Wochen die Grundlage für die nächsten Wettkämpfe legen werde. Trotz der vielen Reisen stehe ich immer noch am Anfang meiner Saison. Es werden noch so einige Wettkämpfe und Reisen auf mich zukommen. Die nächsten Reisen sind jedoch innerhalb Europas, sodass ich von Zeitverschiebungen und Langstreckenflügen verschont bleibe 😉