„Verliere nie dein Ziel aus den Augen, sondern gehe geradlinig darauf zu.“

Es ist eine Zeile welche sich, seit letzten Herbst, in meinen Kopf eingebrannt hat und die so simpel klingt, dass man für einen kurzen Moment vergessen kann wie schwierig der Weg sein würde. Doch es ist ein Trugschluss, denn jeder Erfolgsweg wird von Hindernissen geprägt sein und keineswegs geradlinig verlaufen. Entschlossen auf sein Ziel zu zugehen heißt, dieses an jedem Tag und bei jedem Schritt fest vor Augen zu haben.

Genau so ging es mir während meiner Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften in Doha. Nach einer etwas schwierigen Saison im Jahr 2018 war mein Wunsch nach einer erfolgreichen WM Teilnahme bedeutend groß. Die Vorbereitung verlief verhältnismäßig reibungslos. Damit möchte ich nicht sagen, dass es einfach war, aber nachdem eine langwierige Erkältung und eine Entzündung in meinem linken Fuß im Oktober letzten Jahres auskuriert waren, konnte ich bis zu den Weltmeisterschaften in Doha planmäßig trainieren. Meine Gesundheit stand immer an erster Stelle, sodass ich neben dem Training ebenfalls akribisch an Regeneration, Ernährung und der Minimierung meines Stresslevels gearbeitet habe.

Mein Fokus war immer auf mein Ziel gerichtet – eine erfolgreiche WM Teilnahme.

Aber was heißt erfolgreich sein? Ist es eine Teilnahme, eine Bestzeit oder etwa eine Medaille?  Ich habe bewusst eine relativ unspezifische Definition meiner Ziele gewählt, denn der Wunsch nach einer Medaille war zwar tief in mir verankert, doch Mut und Zuversicht mussten während des Prozesses erst reifen.

Nach einem soliden Saisoneinstieg, konnte ich Ende August endlich den nächsten Sprung in meiner Sportkarriere machen. Die Verbesserung meines Rekords über 3000m Hindernis sowie die Aufstellung der Weltbestleistung über 2000m Hindernis haben mir gezeigt, dass ich mich bei den bevorstehenden Weltmeisterschaften keineswegs verstecken muss. Eine Erkenntnis, die einerseits beruhigend wirkte und andererseits neuen Druck aufgebaut hat. Nicht allein die Medien haben meine Erwartungshaltung geändert. Mein innerer Wille mich bei der WM zu behaupten und in das Medaillengeschehen mit einzugreifen stieg immens.

Aus Erfahrung weiß ich, dass man im Sport immer einen Schritt vor den anderen setzen muss. Man erwartet zwar von mir, dass ich den Vorlauf im Vorbeigehen erledigen werde, dennoch unterschätze ich die erste Runde eines Tournament niemals. Viele „Größen“ sind schon an der ersten Runde gescheitert. Dies sollte mir nicht aufgrund von Konzentrationsmangel passieren. Nachdem die erste Aufgabe erledigt war begann das große Warten: 74 Stunden in der Hitze von Katar.

Ich habe das Wetter in Doha keineswegs als großen Nachteil gesehen. Im Stadion war es angenehm und uns Stadionleichtathleten wurden die bestmöglichen Bedingungen geschaffen. Dennoch hat die Mannschaftsleitung davon abgeraten das Hotel zu verlassen, um die Energiereserven nicht zu verschwenden. So verbrachte ich drei lange Tage in unserem Hotel, ging drei Mal täglich Essen, absolvierte meine Dauerläufe auf dem Laufband, ging in der angrenzenden Mall spazieren, und wartete. Es war die Hölle. Mit jeder Sekunde die verstrich wuchsen meine Anspannung und der Wunsch nach einem Erfolg. Es ist ein Gefühl, dass einen förmlich erdrückt und welches jegliche Lockerheit und Lebensfreude überdeckt. Verrückt oder?

Sport ist immer mit Druck verbunden und sportlicher Erfolg geht immer mit dem Umgang von Druck einher. Wie dieser Druck zustande kommt ist unterschiedlich. In meinem Fall war es größtenteils die hohe Erwartungshaltung an mich selbst. Der Moment, in dem ich nach langer Wartezeit endlich mein Warmup beginnen konnte war eine enorme Erleichterung. Ich habe mich gefühlt wie ein aufgezogenes Rennauto, welches noch einige Zeit in der Box verharren musste. Vom ersten Meter an war ich in meinem Flow und Fokussiert auf die bevorstehende Aufgabe. Ab dem Moment, in dem ich das Stadion betrat war in meinem Kopf endgültig kein Platz mehr für Sorgen und Druck. Nun hieß es: Tun. Und zwar das was ich am besten kann. Laufen.

Über mein Rennen habe ich viel nachgedacht. Die Bronze Medaille war für mich Golden. Ich wollte gewinnen und das habe ich geschafft. Ich habe meine Ängste besiegt, einem schwierigen Jahr 2018 den Rücken zugewendet, ein noch größeres Vertrauen in das Können meines Trainers sowie in meine eigene Stärken entwickelt und viele Weltklasse Athleten hinter mir gelassen. Darauf bin ich stolz. Dieser Sport ist hart, aber es gibt diese ganz besonderen Momente für die sich jegliche Arbeit, jede Träne, jede Reise und jeder Stress, jede Entbehrung lohnt.

Der Weg zum Ziel ist das was das Ergebnis besonders macht.