Als ich Collins das erste Mal traf, hatte er sein Training im Kamariny Stadion bereits beendet und beobachtete noch eine Weile das Treiben auf der Aschebahn. Mein Trainer kam damals mit Ihm ins Gespräch und fragte ihn, ob er nicht mein Pacemaker für die nächste Tempoeinheit sein wolle. Eine Woche später sorgte er das erste Mal für das richtige Tempo bei meinen 300m Intervallen. In unseren Trainingslagern bin ich meist in Kleingruppen unterwegs. Für die Tempoeinheiten fehlt es mir aber oft an Trainingspartnern. Hier in Kenia kann man dieses Problem ganz einfach lösen. Die Breite an ambitionierten Läufern ist in Iten gigantisch. Nur ein Bruchteil der Athleten schafft es auf die internationale Bühne. Der Konkurrenzkampf ist enorm und die Mittel zum Erfolg sind so einfach, dass rund 80,- € monatlich dafür ausreichen. Die Motivation und der Wille sind entscheidend. Alles andere scheint da fast nebensächlich.

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Während des Ein- und Auslaufens erzählte mir Collins seine Lebensgeschichte. Er ist in einer Kleinstadt in der Nähe von Eldoret aufgewachsen. Seine Familie lebt noch dort. Er besucht sie ab und zu. Sie senden ihm regelmäßig Geld. Er selbst ist zur Schule gegangen und spricht gutes Englisch. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen hat er eine Reihe kleiner Jobs angenommen. Die Geschäftsführer seien korrupt, erzählt er mir. Man muss hart arbeiten und bekommt wenig Geld. Daher waren seine Jobs nie von langer Dauer. „Ich träume von einer Karriere im Sport“ erzählt er mir. Dafür müsse er bei den Nationalen Meisterschaften starten und mit einer guten Leistung auf sich Aufmerksam machen. „Das wäre dann mein Sprungbrett für internationale Starts um Geld zu verdienen“ schwärmt er mir vor.

Seine 800m Bestzeit liegt bei 1:47min. Eine gute Zeit, die in Kenia aber nicht ausreicht um aus der Menge an guten Läufern herauszustechen. Für seinen Traum trainiert er einmal täglich in der Gruppe. Die anderen Einheiten absolviert er alleine. Neben den regulären Trainingseinheiten, ist das Tempotraining mit mir für ihn ein Kinderspiel. In einem gleichmäßigen Tempo sorgt er dafür, dass ich mich bei meinen 20 mal 300m Intervallen oder einem wettkampfnahmen Tempoprogramm nicht auf die Zeit, sondern nur auf das Laufen konzentrieren muss. Für mich ist es eine unwahrscheinlich große Hilfe, für ihn leicht verdientes Geld. Pro Einheit verdienen die Pacemaker in Iten zwischen 10€ und 15€. Bevor ich abreise bekommt er dann meistens noch ein Paar Laufschuhe und Trainingsbekleidung. Dass es sich dabei um Damenbekleidung handelt ist nicht schlimm. In Eldoret können die Kleider und Schuhe gegen eine minimale Gebühr in die richtige Größe getauscht werden. „Sportbekleidung kaufen ist sehr teuer, ich bin froh wenn ich Sachen tauschen kann“ erzählt er mir beim Auslaufen.

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Neugierig frage ich weiter und erfahre, dass 80€ monatlich zum Leben gut ausreichen. Für 20€ hat er sich in eine Unterkunft eingemietet, weitere 30€ benötigt er zum essen und weitere 30€ für alles Weitere (Handy, Sportbekleidung etc.) Die Ernährung ist ein weites Thema welches mich brennend interessiert und so erkundige ich mich was bei ihm auf dem täglichen Speiseplan steht. Zum Frühstück gibt es Tee mit Zucker und Milch, dazu etwas Brot und manchmal ein Ei. Mittags und abends isst er Ugali mit Gemüse. Die wichtigste Mahlzeit sei das Abendbrot: „Wenn ich abends Ugali gegessen habe, kann ich morgens sehr gut trainieren. „Ohne Ugali fehlt mir die Energie“ berichtet er. Fleischgerichte stehen dagegen nur selten auf dem Speiseplan. Es ist zu teuer. Nachdem wir unser Auslaufprogramm beendet haben verabschiede ich mich von Collins. Zum nächsten Training haben wir bereits verabredet. Die Uhrzeit machen wir meist kurzfristig über Facebook aus.

Für mich sind Collins Erzählungen und Eindrücke hochspannend und lehrreich. Nicht weil ich das Leben der Kenianer kopieren will, sondern weil ich versuche die Menschen, deren Kultur und ihr Erfolgsgeheimnis besser zu verstehen. Ich hoffe euch mit diesem Bericht ebenfalls einen kleinen Einblick über das Treiben in Iten geben zu können. Collins als Pacemaker zu haben ist für mich eine enorme Unterstützung. ich bin dankbar dafür ihn kennen gelernt zu haben.

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