Was macht eigentlich ein gelungenes Wochenende aus? Als ich noch zur Schule ging habe ich die Freitage herbei gesehnt und Montage verflucht. Gerade im Alter von 14 oder 15 war ein Wochenende das absolute Highlight. Wenn keine Wettkämpfe anstanden habe ich die Tage verplant und mich über jedes bisschen Aktion gefreut. Mit dem Einzug ins Internat freute ich mich dann auf die Wochenendheimfahrten zu meinen Eltern, um wenigstens am Wochenende ein ganz normales Familienleben zu haben. Nach meinem Abitur wurde ich Profi und habe das Wort „Wochenende“ dann ganz aus meinem Gedächtnis eliminiert. Der Trainingsalltag war so durch getaktet, dass „Wochenende“ eben dann war, wenn ein lockerer oder freier Trainingstag auf dem Plan stand. Das konnte durchaus auch ein Dienstag oder Mittwoch sein. Unternehmungen mit Freunden oder ein Cocktailabend standen dann eben auch mal unter der Woche an. Ganz klar: Das Training kommt an erster Stelle. Alle anderen Aktivitäten werden im Nachhinein geplant. Wichtig bei diesem Durcheinander ist nur, dass man den Sonntag nicht außer Acht lässt, denn da haben die Geschäfte zu! Vor drei Jahren lernte ich dann meinen Freund Marc kennen und Wochenenden haben seitdem wieder zunehmend an Bedeutung gewonnen. Anfangs haben wir für einige Zeit eine Fernbeziehung geführt und konnten uns nur am Wochenende sehen. Das Training habe ich natürlich weiterhin planmäßig absolviert. Unsere Wochenendaktivitäten wurden dementsprechend geplant. Mittlerweile leben wir gemeinsam in Frankfurt und sehen uns auch unter der Woche, was wir beide sehr zu schätzen wissen. Die Freude auf die „freien Tage ohne Arbeit“ weiß Marc aber dennoch mehr zu schätzen als ich. Denn für mich gilt nach wie vor: Training ist Dienst und harte Trainingseinheiten können eben auch auf einen Samstag oder Sonntag fallen.

roehler_krause1  © Theo Kiefer

Als ich Anfang Januar erfahren habe, dass ich zum zweiten Mal in Folge zur „Leichtathletin des Jahres“ gewählt wurde habe ich mich natürlich riesig gefreut. Gerade wenn die Saison schon einige Monate zurück liegt ist es umso schöner, wenn die Leistungen im Nachhinein honoriert werden. Die Ehrung sollte zu den Deutschen Leichtathletik Hallen Meisterschaften in Leipzig stattfinden. Dies war eines der beiden Wochenenden welches ich zwischen meinen beiden Höhentrainingslagern in Deutschland verbringen würde. Für mich stand fest, dass diese Entscheidung nicht allein in meinen Händen liegen sollte. Ich wollte meinen Freund, der mich ohnehin nicht so oft sieht in diese Entscheidung mit einbinden. Er selbst war von dem Vorhaben, ein gemeinsames Wochenende in Leipzig zu verbringen begeistert und so haben wir uns beide darauf gefreut. Eine Hallensaison war für mich ohnehin nicht geplant und so hätten wir die Möglichkeit gehabt die Wettkämpfe gemeinsam auf der VIP Tribüne zu beobachten und die Stadt etwas zu erkunden. Perfekt. Genau mit diesem Vorhaben bin ich am Freitag nach Leipzig gefahren. Das ich Trikot und Spikes im Gepäck hatte war durch meinen Trainer verschuldet. Er hatte mir ans Herz gelegt mein Equipment mitzunehmen. Nach meinem verpatzen Halbmarathon Debüt sagte er mir, dass es das Beste wäre ein solches Erlebnis schnellstens vergessen zu machen. Tief im Inneren hatte mich bei diesen Worten natürlich der Ehrgeiz gepackt. Die Realität sah jedoch anders aus. Nach dem Trainingslager und einem nicht vollendeten Halbmarathon hatte ich schon die ganze Woche mit der Rückanpassung und muskulären Beschwerden zu kämpfen. Wie sollte ich da schon ohne spezielle Vorbereitung 3000m absolvieren? Also habe ich mich weiterhin auf einen entspannten Städtetrip nach Leipzig gefreut. Auf der 400km langen Fahrt konnte ich dann nämlich gleich meinen neuen, vom Verein gesponserten Wagen mal testen. Es waren außerdem nicht die schlechtesten Aussichten in Leipzig als Zuschauer sein zu dürfen und zudem am Sonntag vor dieser tollen Kulisse geehrt zu werden. Am Ende kam dann doch alles etwas anders als Erwartet. Nachdem ich am Freitag mein erstes gutes Training seit Tagen absolviert hatte und mich auch Samstag zunehmend besser fühlte wuchs der Gedanke eventuell doch an den Start zu gehen. Am Samstag habe ich weitere 90 Minuten bei den Ärzten und Physios des DLV verbracht und mich pflegen lassen. Als neben meinem Trainer auch das medizinische Team das „OK“ für einen Start gegeben hatte, sollte mein Bauchgefühl entscheiden. Für diese Entscheidung habe ich mir lange Zeit gelassen, denn mir lag am Herzen, dass wenn ich laufen würde auch ein gutes Resultat dabei herauskommen sollte. Am Sonntagmorgen nach einem lockeren Auftakt wollte ich die Sache angehen und sobald es laut ausgesprochen war erfüllte mich ein Gefühl von gewohnter Nervosität. Alles eben wie immer.

krause_roehler1 © Theo Kiefer

Doch der Grund meiner eigentlichen Anreise soll nicht außer Acht gelassen werden. Rund zwei Stunden vor dem Wettkampfstart sollte die Ehrung stattfinden und so war ich pünktlich am geplanten Treffpunkt und habe bei einer kleinen Zeremonie die Trophäe entgegen genommen. Gemeinsam mit Thomas Röhler, der zum „Leichtathleten des Jahres“ gewählt wurde haben wir in einem kurzen Videoclip die Momente des Jahres 2016 nochmals erleben dürfen. Gänsehaut pur. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war ich zurück im Wettkampfgeschehen. Die Vorbereitung ist ein Automatismus. Das Geschehen drum herum wird völlig ausgeblendet. An der Startlinie stehend bleibt kaum Zeit an irgendwas zu denken. „Glaube an dich Gesa“ sind eigentlich die Worte die ich mir immer wieder selbst sage. Der Startschuss fällt und es geht los. Wie ein Uhrwerk läuft Alina Reh das Rennen von der Spitze weg. Das Tempo ist schnell, ich fühle mich gut und bin glücklich mich an ihren Rücken klemmen zu können. Ich hatte keine Vorstellung was ich können würde, denn die meisten meiner Trainingseinheiten in den letzten Wochen waren ausdauerbetont gewesen. Laktat hatte ich lange nicht gespürt. Bei 2200m wurde es schwer und mir fiel es schwer ihrem immer schneller werdenden Tempo zu folgen. Ich musste eine kleine Lücke zulassen. Wiederwillig, aber immer im Bewusstsein dass das Tempo wirklich hoch war. Die letzten zwei Runden konnte ich mich nochmal mobilisieren und meinen zwischenzeitlich verlorenen zweiten Platz wieder zurück kämpfen. Erschöpft und glücklich wurde ich letztlich mit einem zweiten Platz in 8:56min belohnt. Ein „ganz normales Wochenende“ geht zu Ende.

Anders als erwartet, aber wie immer mit viel Aktion.

csm_krause_reh_klein_hdm17_foto_kiefner_b7aabd9f0d © Theo Kiefer (via Leichtathletik.de)