In den ersten Jahren meiner Profi-Karriere konnte ich nach der Saison nie die Füße stillhalten. Meistens standen zwei bis drei Wochen Urlaub auf dem Plan. Auf die freie Zeit habe ich mich zwar immer irgendwie gefreut, aber ich hatte gleichermaßen Angst davor, zu sehr an Form zu verlieren, ein paar Kilos zuzunehmen und so richtig abzuschalten.

Das mit dem Abschalten fällt mir immer noch schwer. Ihr müsst euch vorstellen, ich trainiere Tag ein Tag aus und hinterfrage elf Monate lang rund um die Uhr, ob mein handeln und tun gut für den Sport und den Trainingsprozess ist. Dann ist auf einmal Urlaub und man kann und darf sich von den guten Vorsätzen verabschieden. Ganz so einfach ist das aber nicht, denn dieses bewusste Leben ist kein Zwang, sondern meine Lebenseinstellung. Man kann sich nicht von heute auf morgen ändern, aber mittlerweile weiß ich, wie gut mir die freie Zeit tut, wie sehr mein Körper und mein Geist die freie Zeit brauchen. Nach einigen Tagen Laufpause hat man sich daran gewöhnt und ich muss sagen, dass ich diese zwei Wochen im Jahr durchaus genieße.

Zudem habe ich in dieser Phase Zeit, das alte Jahr Revue passieren zu lassen. Zu selektieren, was gut und schlecht war – und gleichzeitig neue Pläne und Ziele zu formulieren. Auch in diesem Jahr habe ich die Urlaubstage genutzt, um einen „Reset Button“ in meinem Kopf zu drücken und in aller Ruhe herauszufinden, was ich will und wohin ich möchte. Das Jahr 2017 war im Endeffekt erfolgreich, aber auch von einigen Tiefpunkten geprägt. Zu meinem Lauf in London brauche ich nicht mehr viel sagen. Mittlerweile sehe ich die positiven Seiten, die sich dadurch ergeben haben. Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, noch nicht an meine Grenzen gekommen sein.

Und genau da möchte ich im kommenden Jahr anknüpfen. Dieses kleine Gefühl von Ernüchterung ist ausreichend gewesen, um hochmotiviert in das neue Jahr zu starten. Es sind Reserven vorhanden, die ich zur rechten Zeit auspacken möchte. Außerdem steht im nächsten Jahr eine Europameisterschaft an – und zwar in Berlin. Beim ISTAF habe ich eine vage Vorstellung erhalten, wie die Atmosphäre im Olympiastadion sein wird. Wenn ich genauer darüber nachdenke, bekomme ich Gänsehaut, denn die Vorfreude ist gigantisch. Im Stadion zu stehen und vor so vielen Menschen zu laufen, ist ein geniales Gefühl. Natürlich lastet Druck auf den eigenen Schultern, gerade wenn man vor heimischer Kulisse am Start steht, aber ich versuche, es nicht als Druck, sondern als Privileg zu erachten. Umso mehr freue ich mich auf den 12. August 2018, den Tag meines 3000-Meter-Hindernis-Finales in Berlin.

Der Weg dahin ist lang und steinig. Gerade in den ersten Wochen meines Wiederaufbaus habe ich erlebt, wie schwer das Training fallen kann. Drei Wochen Urlaub waren zwar erholsam, haben mir den Einstieg aber nicht unbedingt leicht gemacht. Doch die geistige und körperliche Frische hat dazu beigetragen, dass ich derzeit wieder eine solide Fitness besitze. Nächste Woche geht es für mich ins erste Trainingslager der Saison und der Marathon gen Berlin beginnt.

Fünf Höhentrainingslager sind bis zu den Europameisterschaften im nächsten Sommer geplant. Über Italien, Kenia, Südafrika, Amerika und die Schweiz wird meine Reise nach Berlin führen. Zwischenzeitlich sind diverse Stopps bei verschiedenen Wettkämpfen vorgesehen – zum Auftakt der Silvesterlauf in Trier –, denn schließlich muss die Fitness immer mal wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Ein spannendes Jahr liegt vor mir. Es wird nicht immer leicht sein, aber mit der Vorfreude auf die EM in Berlin und einem starken Team im Rücken bin ich bestens gerüstet für meine Ziele in 2018.