Als ich im Jahr 2010 das erste Mal in Nairobi gelandet bin war ich gespannt was mich erwarten würde. Ich bin schon immer gerne gereist und freue mich jedes Mal eine neue Kultur kennenzulernen. Ehrlich gesagt kann ich mich heute aber nicht mehr recht erinnern, ob meine Erwartungen erfüllt wurden und ob Kenia meinen Vorstellungen entsprach. In meinen Kopf eingemeißelt ist jedoch die Erinnerung an die zwei Matatu Fahrer, die auf dem Flughafenparkplatz auf uns warteten. Ein Matatu ist übrigens ein kenianisches Sammeltaxi, welches vom Kenianer genutzt wird um schnell und günstig von A nach B zu kommen. Ich nenne es auch einen Toyota Kleinbus, der in Deutschland weder den TÜV bestanden, noch eine grüne Plakette erhalten hätte. Zurück zu unseren Fahrern, die uns damals mit guter Laune und gesundem kenianischem Optimismus empfangen haben. Unsere erste Sorge war natürlich, wie der Haufen an Gepäck und die rund 14 Leute in diese zwei Kleinbusse passen sollten. Zu diesem Zeitpunkt war uns allerdings noch nicht bewusst, dass das Gepäck nicht im Kofferraum verstaut, sondern mit Kordel auf das Dach des Fahrzeugs geschnallt werden würde. Im Schritttempo ging es durch die völlig überfüllten Straßen von Nairobi, dreispurig versteht sich, obwohl eigentlich nur eine Spur pro Fahrtrichtung vorgesehen ist. Nicht jedoch in Kenia, hier geht alles unter dem Motto „Dreistheit“ siegt. Nachdem wir Nairobi verlassen hatten, musste die verlorene Zeit natürlich wieder eingeholt werden und die Fahrt entwickelte sich in eine Art Wettrennen unserer zwei Matatufahrer. Skurrile Überholmanöver haben zweimal haarscharf zu einem Unfall geführt. Man bemerke, das der Tacho bei unserer Hetzjagd durch Kenia stets ein Tempo von 80km/h zeigte, welches der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit in Kenia entspricht. Diese wird natürlich nicht überschritten, wenn der Tacho ordentlich präpariert ist. Indessen leuchtet die Tankleuchte während der sieben stündigen Fahrt nach Iten durchgehend. Anfangs zu unserer Beunruhigung, am Ende wissen auch wir, dass Kenia seine eigenen Gesetze hat und keinerlei Grund zur Sorge besteht.

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Mittlerweile bin ich zum 11. Mal in Kenia und nehme ein Flugzeug um von Nairobi nach Eldoret zu kommen. Die Autofahrt beschränkt sich somit nur noch auf die 45 Minuten vom Inlandsflughafen bis zum Kerio View Hotel in dem ich seit meiner ersten Keniareise untergebracht bin. Am Flughafen angekommen werden wir meist von unserem Stammfahrer Amos Kibet empfangen. Er ist mit 1,55m Größe einer der gelassensten und lebensfrohsten Menschen die ich je gesehen habe. Sein Auto, ein moderner Toyota Minivan ist quasi ein Luxuswagen unter den Sammeltaxis in Iten und wann immer wir einen Fahrer brauchen ist er unsere erste Wahl. Das Kerio View Hotel liegt etwas abgelegen von der Iten-Eldoret Road welches die einzige asphaltierte Straße zwischen unserem Dorf und der etwas größeren Stadt Eldoret ist. Alle anderen Wege und Straßen im Umkreis sind aus roter Erde und sehr holprig, was die Menschen nicht davon abhält mit ihren Autos, Traktoren, Mopeds und Fahrrädern über Stock und Stein zu brausen. Ich bin immer wieder überwältigt, wie man auf diesen Straßen ohne Verletzung oder größeren Schaden zum Ziel gelangt. Gerade gestern habe ich einen Motorrad Fahrer beim Laufen gesehen, der seine neuste Errungenschaft, ein gepolstertes 2-Sitzer Sofa auf seinem Motorrad durch die Gegend gefahren hat. Statt einer Begleitperson auf dem Rücksitz hat er das zwei Meter breite und 90cm Hohe Möbelstück auf den Notsitz des Motorrads gespannt und fuhr hupend an mir vorbei. Immer wenn ich hier bin erscheinen mir die alltäglichen Probleme in Europa sehr klein. Die Menschen in Kenia inspirieren mich dazu, dass man die Freude am Leben nie verlieren sollte und dass nicht alles so schlimm ist, wie es manchmal scheint. Das beste Beispiel zeigt mir Karoline unser Zimmermädchen. Ich kenne sie seit dem ersten Aufenthalt im Jahr 2010 und ich habe sie noch nie mit schlechter Laune gesehen. Während sich meine Trainingskollegen und ich morgens den einen Kilometer langen Berg zur Iten Eldoret Road hinaufschleppen, kommt sie im Kleid, mit Pumps, den holprigen Weg hinunter in Richtung Hotel spaziert, manchmal rennt sie auch wenn die Zeit knapp wird und begrüßt uns mit einem riesigen Grinsen und einem Schub Lebensfreude. Ab und an erzählt sie von ihrer wahrscheinlich einzigen Sorge. „We need some rain, our plants need to grow. It’s too dry“. In der Trockenzeit regnet es hier in Kenia so gut wie nie. Für mich ist die Sonne ein Geschenk, doch die Menschen hier brauchen den Regen, um ihre Landwirtschaft und somit ihre Nahrung zu sichern. Tief im inneren denke ich mir dann wie dankbar ich sein sollte, dass ich mir alles im Supermarkt kaufen kann und nicht davon abhängig bin, ob es Regnet oder nicht. Meist bin ich froh wenn der Regen ausbleibt, denn sonst wird der staubige Untergrund zu Lehmboden, der sich im Profil meiner Schuhe festsetzt und jeden Schuh um einige hundert Gramm schwerer macht. Das Laufen wird dann fast unerträglich, denn jeder Schritt im ohnehin schon profilierten Gelände kostet somit noch mehr Kraft. Da ziehe ich den Staub in der Luft und die dreckigen Socken vor. Ihr müsst euch vorstellen, nach jedem Dauerlauf komme ich mit einer Bräunungsdusche zurück. Die Staubpartikel der roten Erde bleiben an Kleidung, Schuhen und dem Schweiß am Körper kleben. Es ist fast unmöglich sich davor zu schützen. Wenn eines der Fahrzeuge über die Holperwege rauscht und der Wind ungünstig in meine Richtung weht, gibt es keine Möglichkeit einer Staubdusche zu entkommen. Da heißt es nur Luft anhalten, Augen zu und durch. Ich habe mittlerweile schon damit aufgehört weiße Socken in Kenia zu tragen, denn nach einer einzigen Trainingseinheit haben sie eine braunrote Farbe, die mir einen Schauer auf den Rücken zaubert. Für Karoline und ihre Kolleginnen wäre das jedoch kein Problem. Sie waschen unsere Wäsche mit Enthusiasmus und Lebensfreude und bekommen sogar braunen Socken wieder Schneeweiß.

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Mich haben die Aufenthalte hier in Kenia sehr geprägt. Dennoch ziehe ich unser geordnetes Deutschland und die gewissenhafte Mentalität in der Heimat definitiv der kenianischen „Laissez-faire“ Einstellung vor, aber der Optimismus der Menschen, die Lebensfreude und die Sorglosigkeit sind definitiv Eigenschaften, die ich mir zu Herzen nehme und von denen man als Europäer lernen kann.